Jemanden in seine Schranken weisen bedeutet Wertschätzung

Kennst Du die ursprüngliche Bedeutung der Redewendung „jemanden in seine Schranken verweisen“?

Wird sie ausgesprochen ist sie häufig mit starken Emotionen wie Wut oder Aggression verbunden und wird häufig negativ bewertet. Doch genau betrachtet kann es für beide Seiten zum Vorteil sein, genau das zu tun: Den anderen in seine / ihre Schranken verweisen.

Jemanden in seine Schranken weisen – so wie damals die Ritter

Um diesem Akt des Grenzensetzens etwas die Negativität zu nehmen, habe ich Dir ein Bild aus der Ritterzeit mitgebracht.

Sicherlich hast auch Du als Kind den einen oder anderen Ritterfilm genossen und weißt, dass in diesen Filmen das Lanzenstechen nicht fehlen darf. Dabei stehen sich zwei Ritter gegenüber, deren Reitbahnen durch eine Holzplanke voneinander getrennt sind. Ziel ist es, den Gegner mit einer Lanze aus dem Sattel zu heben, während beide in vollem Galopp aufeinander zu reiten.

Nur wurde dieser Wettkampf anfänglich ohne diese Holzabsperrung in der Mitte ausgeführt.

Ohne Grenzen keine Ergebnisse

Dabei geschah es häufig, dass die Pferde in vollem Galopp ineinander krachten, weil sowohl Ross als auch Reiter durch die Rüstung ein sehr eingeschränktes Sichtfeld hatten. Dadurch verschätzten sie sich in der Distanz zueinander, was folgenschwere Unfälle mit Beinbrüchen, ausgekugelten Hüften und bestimmt noch viel Schlimmerem mit sich brachte.

Das Blöde: Der Wettstreit war in diesen Fällen zu Ende bevor er angefangen hatte.

Ähnlich läuft es auch häufig in der Kommunikation mit Menschen ab, die sich nicht gut abgrenzen können oder sich schlicht ihrer Grenzen nicht bewusst sind. Mit ihnen kommt man oft gar nicht erst in die Lage, eine Sache zu klären. Stattdessen kracht man aus scheinbar unersichtlichen Gründen aneinander und befindet sich, ehe man sich’s versieht, in einer Grundsatzdiskussion.

Zurück bleiben nach solchen Gesprächen auf beiden Seiten Wut, Verletzungen und Frust. Frust darüber, nicht gesehen, nicht verstanden, nicht gehört zu werden.

Schranken dienen der Orientierung und dem Schutz

Die Ritter haben für sich eine Lösung gefunden, um das Verletzungsrisiko im Vorfeld zu mindern: Sie stellten eine Absperrung in der Mitte auf. Eine sogenannte Schranke.

Zu Beginn eines Turniers wurde jedem Kontrahenten eine Seite der Schranke zugewiesen, auf die er von seinem Knappen geleitet wurde. Er wurde „in seine Schranken verwiesen“. Nun konnte er seine ganze Konzentration auf den Wettkampf richten und musste sich keine Sorgen mehr darüber machen, ob er seinem Kontrahenten vielleicht zu nah kommen könnte.

Die Schranke diente den Reitern also als Orientierung, die es ihnen ermöglichte, ihre Aufmerksamkeit auf die Sache an sich zu richten. Auf diese Weise konnten unbeabsichtigte Verletzungen vermieden werden.

Kommuniziere Deine Grenzen deutlich nach außen und schütze dadurch Dein Gegenüber

Die Metapher zu unserem alltäglichen Umgang mit anderen Menschen ist offensichtlich. Dir über Deine Grenzen klar zu sein und sie ersichtlich nach außen zu kommunizieren, gibt nicht nur anderen eine Orientierung im Umgang mit Dir, sondern auch Dir selbst.

Das Ritter-Bild führt Dir das klar vor Augen. Du bittest andere Menschen mit der Respektierung Deiner Grenzen nicht einfach nur, Dir nicht zu nahe zu kommen. Du beschützt sie auch vor Verletzungen von Deiner Seite aus.

Denn Grenzüberschreitungen werden immer mit Verletzungen auf beiden Seiten bezahlt. In unserem täglichen Umgang nicht immer zum gleichen Zeitpunkt wie bei einem physischen Zusammenprall.

Lässt Du allerdings einen Menschen immer wieder über Deine Grenzen hinweg marschieren, um ihm Jahre später endlich Deine Grenzen aufzuzeigen, kann das für die andere Person sehr schmerzhaft sein.

Selbst wenn Du Deine Grenzen kennst, der andere kennt sie nicht so ohne weiteres

Häufig ist es so, dass der anderen Person ihre Grenzüberschreitung gar nicht bewusst war. Und nun fragt sie sich, wie vertrauenswürdig Euer Verhältnis wirklich ist, dass Du all die Jahre nichts zu ihr gesagt hast.

Höchstwahrscheinlich hätte sie (und so ist es in den meisten Fällen) ihr Verhalten Dir gegenüber geändert, wenn sie gewusst hätte, dass es Dich verletzt.

Ich finde diese bildhafte Erläuterung „ent-negativisiert“ diese Redewendung.

Und hoffe, ich konnte Dir mit diesem Artikel Mut machen, Dir Deine Grenzen bewusst zu machen und sie von Anfang an möglichst klar dem anderen zu kommunizieren.

Schütze beide Seiten zum beiderseitigen Wohl!
Deine Dagmar Ruth